Ständig erscheinen neue Comics aus verschiedenen Universen, da ist es schwer, den Überblick zu behalten. Egal, ob DC, Marvel, Star Wars oder komplett andere Serien – immer stellt sich die Frage, was man sich als Nächstes holen soll. Um euch die Entscheidung etwas zu erleichtern und eine stärkere Übersicht zu gewährleisten, geben wir euch immer mal wieder Kritiken zu den neuesten deutschen Ausgaben verschiedener Comics. Viel Spaß mit unserer Kritik zu Marvel Pride – Vielfalt der Liebe.
Erscheinungsdatum | 20.05.2025 |
Zeichner | Lorenzo Susi, Scott B. Henderson, Hector Barros, Joanna Estep, Kei Zama, Lucas Werneck, Rosi Kämpe, Stephen Byrne, u.a. |
Autor | Christopher Cantwell, Alyssa Wong, Charlie Jane Anders, Andrew Wheeler, Ira Madison III, U.A., Stephanie Williams |
Format | Softcover |
Seitenanzahl | 152 |
Stories | Marvel’s Voices: Pride (2022) 1, Marvel’s Voices: Pride (2023) 1 |
Preis | 20,00€ |
Im Mai 2025 veröffentlichte Marvel Comics unter dem Titel Marvel Pride – Vielfalt der Liebe einen Sammelband, der queere Heldinnen in den Mittelpunkt stellt und dabei einmal mehr zeigt, wie vielfältig das Superhelden-Universum sein kann. Zwischen bunten Panels, dramatischen Kämpfen und stillen Momenten entfaltet sich ein facettenreiches Bild queerer Identitäten – voller Stolz, Verletzlichkeit und Mut. Die Anthologie versammelt Geschichten, die nicht nur queere Figuren feiern, sondern auch ihre Erfahrungen, Beziehungen und Kämpfe mit einem sensiblen Blick beleuchten.
Die queere Repräsentation in Marvel Comics hat sich im Laufe der Jahrzehnte erheblich gewandelt. Lange Zeit waren queere Charaktere in den Hintergrund verbannt, ihre Identitäten nur angedeutet oder ganz verschwiegen – ein Spiegel gesellschaftlicher Tabus und rechtlicher Einschränkungen im Comic-Markt. Erst mit der Lockerung des Comics Code und dem zunehmenden gesellschaftlichen Wandel begannen Autoren, queere Figuren offener zu schreiben. Mit Figuren wie Northstar, der früh sein Coming-out hatte, oder später Wiccan und Hulkling, die eine der ersten offen homosexuellen Beziehungen im Mainstream-Superheldengenre führten, begann ein behutsamer, aber kontinuierlicher Wandel.
Marvel Pride – Vielfalt der Liebe knüpft an diese Entwicklung an und positioniert sich als selbstbewusste Momentaufnahme queerer Geschichten im Jahr 2025. Dabei stellt sich die Frage: Gelingt es Marvel, die Vielfalt queerer Stimmen authentisch und respektvoll abzubilden? Oder bleibt die Sammlung hinter ihren Möglichkeiten zurück? Eine genauere Betrachtung der einzelnen Beiträge offenbart, wie stark – oder auch schwankend – diese Pride-Ausgabe wirklich ist.
Danke an Panini für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars!
Inhalt:
Diese farbenfrohe Anthologie vereint 16 fesselnde Geschichten, in denen queere Held:innen und kreative Stimmen im Rampenlicht stehen. Es gibt mitreißende Abenteuer und unerwartete Begegnungen – von der allerersten Regenbogenparty in Asgard über das explosive neue Dream-Team Hercules und Marvel Boy bis hin zu einem wilden Biker-Trip mit Moondragon. Mit dabei sind auch die Young Avengers, das ungewöhnliche Duo Black Cat und Gambit, Gwenpool in Hochform, die Rückkehr von Taku und Venomm – und viele weitere Überraschungen, die Marvels Vielfalt so lebendig machen wie nie zuvor.
Diese Vielfalt spiegelt sich auch in der Art der Erzählungen wider. Manche Geschichten setzen auf Action, andere wiederum auf emotionale Tiefe und feinfühlige Dialoge. Besonders interessant ist dabei, wie unterschiedlich stark die queeren Themen im Mittelpunkt stehen: Mal geht es explizit um LGBTQIA+-Identität, mal ist sie eher ein selbstverständlicher Teil der Welt – nicht im Vordergrund, aber dennoch spürbar präsent. Das funktioniert gut und sorgt für viele spannende, abwechslungsreiche Geschichten.
Allerdings ist nicht jede Geschichte gleich ausdrucksstark. Zwar machen sie durchweg Spaß – doch immer wieder hatte ich das Gefühl, dass sie zu früh enden. Gerade wenn es richtig spannend wird, ist Schluss. Oft kratzt man nur an der Oberfläche, das volle Potenzial bleibt ungenutzt. Dafür bräuchte es vermutlich mehr Raum, vielleicht sogar ganze Einzelbände. Zum Glück deutet sich bei einigen Geschichten eine Fortsetzung an – denn die Ideen und Ansätze dieser Anthologie gefallen mir sehr, besonders wie stark sie die queere Community sichtbar macht und stützt.
Zeichnung:
Die Illustrationen der verschiedenen Künstler:innen in Marvel Pride sind genauso bunt wie die Geschichten selbst. Jede Story hat ihren eigenen Stil – mal verspielt, mal dramatisch, mal wild. Dabei ist kaum eine wie die andere, und genau das macht den Reiz aus. Ich konnte mich kaum sattsehen und habe mich von einer Geschichte zur nächsten gefreut. Hier zeigt sich wieder die große Stärke von Anthologien: Auch wenn mal ein Stil nicht ganz überzeugt, folgt direkt ein Panel, das einen innehalten lässt. Einige Seiten sind so wunderschön gestaltet, dass ich sie gleich mehrmals anschauen musste. Einfach toll!
Fazit zu Marvel Pride – Vielfalt der Liebe:
Marvel Pride – Vielfalt der Liebe ist mehr als nur eine Sammlung queerer Geschichten – es ist ein kraftvolles Statement für Sichtbarkeit, Vielfalt und Selbstverständlichkeit innerhalb des Superheldengenres. Der Sammelband beweist, wie weit Marvel in Sachen queerer Repräsentation gekommen ist und wie wichtig es ist, diese Entwicklung nicht nur punktuell, sondern dauerhaft und vielstimmig weiterzuerzählen.
Was besonders positiv auffällt: Die Anthologie nimmt queere Figuren nicht nur in den Blick, sondern erzählt ihre Geschichten mit echtem Interesse und Herz. Mal humorvoll, mal nachdenklich, mal actiongeladen – die Bandbreite ist groß. Dass nicht jede Geschichte den gleichen Tiefgang erreicht, ist zwar spürbar, schmälert aber das Gesamtbild kaum. Stattdessen zeigt sich eine kreative Vielfalt, die nicht auf perfekte Dramaturgie, sondern auf echte Lebenswelten und Charaktere setzt.
Gerade durch die Form der Kurzgeschichten entsteht ein Mosaik aus Eindrücken, Stimmungen und Perspektiven, das queere Identitäten nicht über einen Kamm schert, sondern ihre Unterschiedlichkeit betont. Einige Beiträge hätten definitiv mehr Raum verdient – und hinterlassen das Gefühl, dass da noch viel mehr zu erzählen wäre. Doch vielleicht ist genau das die größte Stärke dieser Anthologie: Sie öffnet Türen, statt fertige Antworten zu liefern. Sie macht neugierig auf mehr – auf Spin-offs, Fortsetzungen und größere Story-Arcs.
Visuell ist der Band ein echtes Highlight. Die Vielfalt der Zeichenstile spiegelt die inhaltliche Diversität wunderbar wider. Manche Panels laden zum Verweilen ein, andere sprühen nur so vor Energie. Es ist genau diese kreative Fülle, die Marvel Pride – Vielfalt der Liebe zu einem besonderen Leseerlebnis macht – für queere Fans ebenso wie für alle, die sich auf neue Perspektiven im Marvel-Kosmos einlassen möchten.
Unterm Strich ist dieser Band ein gelungenes Pride-Statement: selbstbewusst, einfühlsam, manchmal ungeschliffen, aber immer mit dem Herz am richtigen Fleck. Wer queere Superhelden nicht nur sehen, sondern wirklich erleben will, findet hier viele Geschichten, die lange nachhallen – und Lust auf mehr machen.